Pressemitteilung, 11.4.2022

Mit beispielloser politischer, gesellschaftlicher und medialer Aufmerksamkeit und Solidarität reagiert die überwiegende Anzahl der Länder und Gesellschaften Europas auf den Krieg in der Ukraine. Die ukrainischen Landesfarben Blau und Gelb werden zum Synonym ihrer Solidarität mit den Menschen der Ukraine, die in diesen Tagen unermessliches Leid erleben müssen. Unter den Betroffenen sind Kinder, schwangere Frauen, Menschen mit Behinderungen, kranke und älteren Menschen. Doch diese Zuwendung gilt nicht für alle Betroffenen dieses Krieges gleichermaßen. Immer mehr Erlebnisse und Berichte afrikanischer und anderer nicht-weißer Menschen, wie Angehörige der Rom*nja und Sinti*zze-Community uns als “Muslime” gelesene Menschen, die bisher in der Ukraine lebten und nun fliehen müssen, schockieren uns. Zahllos sind die Videos, Fotos und Berichte, die belegen, wie sie von ukrainischen Militärs, Sicherheitskräften, der Zivilbevölkerung rassistische Gewalt, Benachteiligung und Abwertung erleben und am Fliehen gehindert werden. Sie erhalten anders als die Ukrainer*innen keinen Zugang zu Wasser, Essen, Wärme, Hygiene, Unterkunft oder Transport. Berichte erzählen von tagelangen Fußmärschen, durch die Kälte, mehr als 60 Kilometer, um dann an den Grenzen, den Bussen oder Zügen abgewiesen zu werden. Viele verzweifeln und legen sich vor Erschöpfung und Resignation in den kalten Schnee. Diese Menschen haben alle etwas gemeinsam: Sie werden als nicht-weiße Menschen wahrgenommen und dies ist der einzige Grund für ihre Schlechterbehandlung.

Schockierend ist auch, dass diese extremen Menschenrechtsverletzungen nicht in der Ukraine enden, sondern in Polen und auch in Deutschland fortlaufen.  

„Afrikanische Studierende melden internationalen Medienberichten zufolge „Gesichtskontrollen“, also „racial profiling“, die eine diskriminierende Handhabe nach dem Motto „Ukrainer first“ nach sich ziehen“, –
schreibt die EU-Abgeordnete Dr. Pierrette Herzberger Fofana in einem Beitrag. Diese Praxis wird von der deutschen Bundespolizei ebenso angewendet, wie von der polnischen.
 
Vor diesem nicht hinnehmbaren Hintergrund haben die Afrikanische/Schwarze Community-Organisationen, die sich in der Horoya[1]-Koalition zusammengeschlossen hatten, beschlossen ihren Schwestern und Brüdern beizustehen. Horoya bedeutet Freiheit auf die westafrikanischen Sprachen Bambara, Malinké, Dioula oder Mandigo, die u.a. auch in Mali gesprochen werden. Das Horoya-Bündnis wurde ursprünglich von Sources d’Espoir e.V. gegründet, um Transformationsprozesse zur Überwindung von Maafa (große Zerstörung auf Kiswahili aus der Zeit der Versklavung), der Kolonialisierung und ungleichen Verhältnisse zu unterstützen. Diesen unterstützen nun die Mitgliederorganisationen von Horoya.

Initiator*innen des Bündnisses sind

Sources-d’Espoir e.V., Diaspora Policy Interaction, PAWLO-Masoso e.V. und NARUD e.V.
 
Ziel der aktuellen Aktion des Bündnisses ist, afrikanische Menschen, die aus der Ukraine fliehen kurz-, mittel- und langfristig zu unterstützen, sie vor Diskriminierung und Rassismus zu schützen, sie zu beraten und zu begleiten.
 
Vor diesem Hintergrund verurteilen wir auch die politischen Maßnahmen und den Umgang mit den Geflüchteten aus Afghanistan, Syrien, Irak, Eritrea, die an der polnisch-belarussischen Grenze durch den Einsatz von Soldat*innen, Stacheldraht und massiver Gewalt, mitten im Winter 2021 an der Flucht und Ausreise gehindert wurden.
Daher fordern wir die Bundesrepublik Deutschland auf, alle Menschen, die aus der Ukraine fliehen, unabhängig ihrer Hautfarbe, Herkunft und Nationalität, einen dauerhaften Aufenthalt zu gewähren, sie gleichberechtigt bei ihrer Einreise und während ihres Aufenthalts zu unterstützen.
Zusätzlich äußern wir unsere Irritation bezüglich der ungleich höheren Aufmerksamkeit, Zuwendung und Anteilnahme Deutschlands für den Krieg in der Ukraine im Vergleich zu anderen Kriegen, die länger andauern und bisher höhere Opferzahlen zu beklagen haben, wie u.a. im Jemen, in Syrien, Äthiopien oder Libyen.

Mitglieder der Horoya-Koalition
Rachel B.Kouombi Nangally (Sources-d’Espoir e.V.) , Abdou-Rahime Diallo (Diaspora Policy Interaction) , Marianne Ballé Moudoumbou (PAWLO-Masoso e.V.), Aziz Lamere (NARUD e.V.)